Virtuelle Traktoren in 3D

Virtuelle Realität hilft uns dabei, Probleme und Verbesserungspotenzial bei der Maschinenentwicklung früher zu erkennen, und damit bessere Produkte herzustellen. Künftig könnte sie auch in der digitalisierten Landtechnik eine größere Rolle spielen.

Traditionell werden in den frühen Stadien der Produktentwicklung oft Modelle gebaut, damit das menschliche Auge Abstände und Größenverhältnisse besser einschätzen kann. Heute bieten VR-Ausgabegeräte eine zusätzliche, flexiblere Methode der Visualisierung. VR (Virtual Reality) liefert das am Computer-Display normalerweise fehlende Raumgefühl, indem über spezielle Brillen die simulierten Gegenstände jedem Auge aus einer leicht anderen Perspektive gezeigt werden.

Reifenwechsel per Knopfdruck

Diese Art der Simulation ermöglicht es, mechanische oder ergonomische Funktionen viel effizienter zu bewerten, und Fehler zu vermeiden. Ist die Kabine fahrerfreundlich gestaltet? Passen die einzelnen Antriebskomponenten gut zusammen? Oder auch: Kommt der Service-Techniker gut an die Ölpumpe? „Man sieht einfach schneller, was technisch geht und was nicht“, sagt Jan-Gerd Hinrichs, VR-Spezialist bei John Deere.

Das Potenzial erkannte John Deere schon früh und stattete sein Mannheimer Werk 2014 mit einer „3D-Cave“ (Cave Automatic Virtual Environment, „Höhle mit automatisierter virtueller Umwelt“) aus. In dem Simulationsraum werden Brillen aufgesetzt, die auf fünf Wände projektierte Bilder passend für jedes Auge filtern. Schon schwebt ein 3D-Traktor mitten im Raum vor den Ingenieuren, Produktionsplanern und Marketingmitarbeitern, die an der künftigen Maschine zusammenarbeiten. „Wenn wir die Baukarte eines Traktors haben, brauchen wir in der Regel nur zwei Stunden, bis wir ihn vollständig darstellen können“, erklärt Hinrichs.

In den Motorraum eintauchen, Reifen per Knopfdruck wechseln oder virtuell hinter dem Lenkrad Platz nehmen... Im Bereich Produktentwicklung und Produktdesign ergeben sich nahezu unbegrenzte Möglichkeiten sowie eine konsequente Zeit- und Aufwandsersparnis. Kundenwünsche werden in kürzester Zeit dargestellt und erprobt, bevor teure Prototypen hergestellt werden.

Digital, dafür greifbar echt

Ein anderes Medium der virtuellen Realität sind die sogenannten VR-Brillen, eine tragbare Variante des Simulationsraums. Statt einer Leinwand nutzen die Brillen Miniatur-Displays, eines für jedes Auge. Sie sind außerdem mit Sensoren ausgestattet, die die Kopf- und Körperbewegungen erfassen. So arbeitet es sich in der Simulation fast wie in der echten Welt. Handschuhe mit Sensoren erlauben sogar das Greifen von Werkzeug, teilweise mit haptischem Feedback.

Im Gegensatz zur 3D-Cave schirmt die Brille den Benutzer völlig von der Außenwelt ab, wodurch sich die Simulation realer anfühlt. Der Traktor steht lebensecht und quasi greifbar vor einem, man kann ihn umlaufen und dabei die kleinsten Einzelheiten unter die Lupe nehmen. Im Kopfhörer brummt sogar der Motor. VR-Brillen sind seit kurzem im Mannheimer John Deere Werk im Einsatz.

Dreidimensionale Meetings

„Die Austausch untereinander, etwa bei technischen Gesprächen, ist in der Cave effizienter, weil die Teilnehmer vor dem virtuellen Hintergrund immer noch real zu sehen sind“, sagt Jan-Gerd Hinrichs. Dennoch sei die VR-Brille aufgrund ihres niedrigen Preises eine sinnvolle Ergänzung. „Damit kann sich ein Ingenieur am Schreibtisch sein Modell anschauen. Die Brille ist geschlossen, es gibt keine Ablenkung, man kann konzentriert arbeiten.“

Zudem ermöglicht sie 3D-Meetings mit Kollegen von weit entfernten Standorten. „Wir hatten schon die ersten virtuellen Treffen mit Kollegen aus den Vereinigten Staaten und Indien. Sie haben sich ein virtuelles Modell unserer 6er Traktor-Serie via VR-Brillen angeschaut. So konnten sie erkennen, dass das, was sie umsetzen wollten, nicht ganz gepasst hat.“ Auf diese Weise konnte das ursprüngliche Konzept verbessert werden.

Virtuelle Schulungen

John Deere überlegt, künftig den Einsatz dieser Technologie auf andere Bereiche zu erweitern. Ebenso wie man sich den Traktor von innen anschauen kann, kann man damit eine Montagelinie überfliegen, um Verbesserungspotenzial herauszufinden – oder bei der Gebäudeplanung die beste Variante aus der Luftperspektive erkennen.

Auch im Bereich Personalressourcen bietet Virtual Reality viel Potenzial. Dies beschreibt Steffen Fischer, Manager für Advanced Manufacturing bei John Deere: „Mit der Brille können Schulungssysteme für das ‚step by step‘-Lernen am Computer besser genutzt werden. So ist zum Beispiel eine Montage-Schulung ohne Beaufsichtigung möglich.“

Einsatz beim Kunden

Auch außerhalb der Produktionsstandorte könnten VR-Brillen in  Zukunft eingesetzt werden, sieht Steffen Fischer voraus. Bei Vertriebspartnern könnten sie etwa als Unterstützung bei Kundenterminen dienen: Damit lassen sich dem Landwirt Maschinen dreidimensional zeigen und dabei bestimmte Funktionen ein- und ausblenden. „Man könnte theoretisch für jeden Kunden individuell Wünsche vor Ort virtuell anpassen, beispielsweise die Farbe, die Fahrerkabine, usw. Und dies für jede Maschine aus dem Katalog.“ Als Schulungsmedium bei Lohnunternehmern und Vertriebspartnern eignen sie sich ebenso.

Quelle: https://www.deere.de/de